Reitlehrerhaftung: Der Trainer hat doch gesagt...
Reiten ist ein Sport mit relativ hohem Unfallrisiko. Die Gefahren sind besonders groß bei Kindern, Anfängern oder in Situationen, in denen der Reiter mit Neuem konfrontiert ist – oft auch im Reitunterricht. Passiert etwas, wird daher oft gefragt, ob der Reitausbilder für den Unfall verantwortlich ist oder er ihn hätte verhindern können. Der Beitrag beschreibt einige typische Situationen, anhand derer die rechtlichen Aspekte bei der Unterrichtserteilung diskutiert werden.
Gibt eine Person, ob geprüfter Pferdewirtschaftsmeister Schwerpunkt Reiten oder Amateur ohne jede Qualifikation gegen Bezahlung Unterricht, so entsteht grundsätzlich ein Dienstvertrag. Danach ist der Ausbilder verpflichtet, den Unterricht so zu gestalten, dass der Reitschüler nicht mehr als durch das Reiten üblich in Gefahr kommt. Verletzt er diese Pflicht, so kann er für einen entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.
Auch für Schäden am (Trainings-)Pferd, die nachweislich aufgrund eines Fehlverhaltens des Ausbilders beruhen, haftet er.
Was ist hier eine Pflichtverletzung?
Typische Pflichtverletzungen sind, wenn man einem Reitanfänger ein Pferd gibt, mit dem er eindeutig überfordert ist (Durchgänger oder Steiger) oder zu schwierige Aufgaben stellt, die dem Ausbildungsstand offensichtlich noch nicht entsprechen. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass der Schüler sich weiterentwickeln möchte und daher abzuwägen ist, was ihm zumutbar ist.
Diese Einschätzung kann der Ausbilder allerdings nur treffen, wenn er sowohl Schüler als auch Pferde kennt. Kommt ein dem Trainer fremdes Kind zum Beispiel zu einem Springkurs mit seinem eigenen Pony, so sollte der Lehrer zunächst einige einfache Probesprünge verlangen, um die Fähigkeiten des Schülers einzuschätzen und ihn nicht zu überfordern.
Vorsicht ist bei einem Amateurreitlehrer oder einem „selbsternannten“ Trainer ohne jegliche nachgewiesene Qualifikation geboten, der üblicherweise nicht die Erfahrung des Profis hat: Kann dieser Trainer die Folgen seiner Anordnung nicht abschätzen, so liegt seine Pflichtverletzung schon darin, dass er überhaupt Unterricht gibt (sog. Übernahmeverschulden) - oder besser gesagt, er kann sich nicht damit entschuldigen, dass er es nicht besser gewusst hat.
Wann folgt aus der Pflichtverletzung auch Schadensersatz?
Bei einem Unfall ist nun zu prüfen, ob der Schaden, zum Beispiel eine Sturzverletzung, gerade deshalb erfolgte, weil der Lehrer seine Pflicht verletzt hat. Als Beispiel: wenn ein sonst zuverlässiges Springpony im Unterricht unvorhergesehen verweigert oder steigt und der Reiter stürzt, so ist dies nicht unbedingt eine Überforderung von Pferd und Reiter, sondern vielmehr das ganz normale reiterliche Risiko. Dasselbe gilt sicherlich für Ausritte mit ruhigen Pferden, die aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse zur Seite springen und den Reiter dadurch in Gefahr bringen können.
Anders sieht es hingegen aus, wenn man Reitschüler ohne Rücksicht auf ihren Ausbildungsfortschritt und ohne sie auf die Schwierigkeiten hinzuweisen in hohem Tempo reiten lässt und sie dann stürzen.
Mitverschulden des Reiters
Gerade im Reitunterricht stellt sich die Frage des Mitverschuldens des Reitschülers: hält er eine Aufgabe von sich aus für zu schwierig und reitet dennoch auf Anweisung des Ausbilders, so kann ihm im Schadensfall eine Mitschuld gegeben werden. Im folgenden Beispielfall hat ein Gericht eine dreißigprozentige Mitschuld des Reiters angenommen: der verletzte Reitschüler war während des Unterrichts bereits zweimal durch das bockende Pferd abgesetzt worden. Als die Reitlehrerin zum Ende der Stunde Traben ohne Zügel und Bügel mit hinter dem Kopf verschränkten Armen anordnete, wurde der Reitschüler wiederum durch Buckeln abgeworfen und schwer verletzt. Das Gericht meinte, der Reitschüler hätte die Reitlehrerin auf seine Überforderung aufmerksam machen müssen (BGH, VersR 82/348).
Bei Kindern und Jugendlichen kann man meist nicht von einem Mitverschulden ausgehen: sie können die Folgen ihres Handelns kaum beurteilen und vertrauen den Anweisungen des Reitlehrers unkritisch. Auch sind sie gerade beim Springen und im Gelände oft deutlich mutiger als Erwachsene – und können dabei ihre und die Fähigkeiten ihrer Ponys leicht überschätzen.
Vertraglicher Haftungsausschluss
Unabhängig von der Tatsache, ob es sich um einen staatlich geprüften FN-Reitlehrer oder Amateurausbilder handelt: Sobald jemand eine derartige Aufgabe übernimmt, treten die gesetzlichen und vertraglichen Haftungsvorschriften in Kraft. Deswegen wird in vielen Reitschulen und bei Kursen die Haftung oft durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen.
Hierbei müssen die Reitlehrer und Ausbilder allerdings berücksichtigen, dass mit allgemeinen Geschäftsbedingungen (also Vordrucke die vom Reitschüler nur noch gegengezeichnet werden) nur die Gefährdungshaftung des Tierhalters ausgeschlossen werden kann. Der Ausschluss der Haftung für (leichte) Fahrlässigkeit ist mit AGB nicht mehr möglich. Mit der Schuldrechtsmodernisierung, die auch das Pferdekaufrecht verändert hat, wurde auch das AGB-Gesetz geändert und in das BGB eingeführt. Gemäß § 309 Ziff. 7 BGB „ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen“ verboten.
Sinnvoll ist es auch, den Trainer zu fragen, ob er eine entsprechende Haftpflichtversicherung besitzt. Denn wenn mit Pferd und / oder Reiter ein schwerer und in ungünstigen Fällen teurer Unfall passiert, hilft es wenig, wenn der Trainer zwar rein rechtlich haftet, aber praktisch kein Geld hat, den Schaden zu bezahlen.
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