Stallgassenunfall: haftet der Bereiter?
In diesem bereits im Jahr 1997 entschiedenen Fall geht es um die Haftung des Bereiters, bei dem sich ein Pferd beim Anbinden in der Stallgasse verletzte. Die Frage war, ob der Bereiter haftete.
Im Juni 1997 übergab die Pferdebesitzerin (und spätere Klägerin) ihr Pferd an eine Bereiterin (und spätere Beklagte) zur Ausbildung. Als Preis für den Beritt wurden DM 400,-- und für die Einstellung (Box etc.) 500,-- vereinbart.
Auf die Gefahr hingewiesen
Bei der Übergabe teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass das Pferd unter einem Anbindezwang litt. Deshalb sollte grundsätzlich ein Gummiring zwischen Strick und Anbinder befestigt werden. Sollte das Pferd panisch werden und sich in die Stricke werfen, würde der Gummiring reißen und das Pferd freigeben, um Verletzungen durch das Halfter an Kopf und Genick zu verhindern.
Im Juli rief die Bereiterin die Klägerin an und teilte ihr mit, dass sich ihr Pferd verletzt und einen offenen Griffelbeinbruch hinten links erlitten habe. Das Pferd musste operiert werden. Es entstanden erhebliche Tierarztkosten.
Kein Versicherungsschutz
Wie es in solchen Fällen oft vorkommt, handelte es sich bei der Bereiterin um eine Freizeitausbilderin ohne jeglichen Versicherungsschutz. Wer bezahlt nun den Schaden – allem voran die Tierarztkosten? Der Streit landete schließlich vor dem Amtsgericht Hamburg.
Obhutsverhältnis: Wer muss was beweisen?
In derartigen Fällen ist es für den Pferdehalter immer sehr schwer zu beweisen, dass dem Ausbilder ein Fehler unterlaufen ist. Hier teilte die Beklagte auch nur mit, dass ein Unfall geschehen sei, sie aber nichts dafür könne. Auch ihr Anwalt gab – ganz typisch in diesen Fällen - auf Anfrage keine weiteren Informationen.
Da sich das Pferd in der Obhut der Beklagten befand, handelt es sich hier um ein sog. Obhutsverhältnis. Daraus resultiert die Pflicht der Beklagten, über den Hergang des Unfalls zu informieren.
Der Bundesgerichtshof hat in einem derartigen Fall einmal geurteilt, dass es dem Anspruchsteller - hier also der Pferdeeigentümerin - im Schadensfall nicht zuzumuten sei, einen Beweis über Dinge zu führen, die seinem Gefahrenbereich und seiner Kenntnis entzogen sind. Vielmehr muss sich der Anspruchsgegner - in diesem Fall also die Bereiterin - entlasten, wenn aus der Sachlage zunächst der Schluss möglich ist, dass er seine Sorgfaltspflicht verletzt hat und die Schadensursache aus seinem Gefahrenbereich hervorgegangen ist. (BGH VersR 1976,1084).
Diese Verpflichtung scheint der Klägerin zu helfen. Dennoch muss man sehen, dass dieses Recht auf Information in der Praxis nur wenig nützt: Dichtung und Wahrheit liegen hier leider allzu oft weit auseinander.
Der Unfallhergang
In diesem Fall erklärte die Ausbilderin, dass sie das Pferd mit dem Gummiring in der Stallgasse vor der Box angebunden habe. Plötzlich habe sich das Pferd ruckartig in den Strick geworfen, so dass der Gummiring – wie beabsichtigt - gerissen sei. Das Tier sei dann schräg rückwärts in eine drei Boxen entfernte Box, in welcher eine Mistkarre stand, gelaufen. Als es mit der Karre in Berührung kam, schlug es aus und brach sich dabei das Griffelbein.
Die Klägerin bezweifelte, dass ein Pferd rückwärts in Panik flüchtete und rückwärts in die Box stürzte. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass das Putzen des Pferdes in der Stallgasse, in der Nähe von vielen verletzungsträchtigen Gegenständen, eine Pflichtverletzung sei.
Gutachter beurteilt die Sachlage
Das Gericht bestellte einen Sachverständigen. Dieser führte in seinem mündlichen Gutachten aus, dass es unter Pferdekennern Allgemeingut und -wissen sei, dass 80 bis 90 Prozent aller mit der Haltung zusammenhängenden Unfälle in der Stallgasse stattfinden. Es sei eine "unfallträchtige Unsitte", Pferde in der Stallgasse anzubinden und dort die entsprechenden Arbeiten vorzunehmen. Ein derartiges Verhalten ist fehlerhaft. In diesem Zusammenhang verwies der Sachverständige auch noch auf das von Buch "Der richtige Stall für mein Pferd", in dem einige Stallunfälle exemplarisch aufgeführt worden sind.
In Anbetracht der eindeutigen Stellungnahme des Sachverständigen und um weitere Sachverständigenkosten bzgl. der Höhe der konkreten Schäden der Klägerin zu vermeiden, schlossen die Parteien vor dem Gericht einen Vergleich. Darin verpflichtet sich die Beklagte zur Zahlung des größten Teils des Schadens der Klägerin.
Amtsgericht Hamburg 21A C 529/97
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