Tierhalterhaftung: Wer zahlt was warum?
Reiten gilt als eine Sportart mit hohem Unfallrisiko. Oft kommen dadurch nicht nur der Reiter selbst, sondern auch andere Personen oder Sachen zu Schaden. Rechtsanwalt Lars Jessen aus Hamburg informiert zu den wichtigsten rechtlichen Fragen, die sich aus der Verantwortung für ein Pferd für Halter und Reitpartner ergeben können.
Grundsätzlich haftet jeder für alle Schäden, die er schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat (BGB § 823). Vorsätzlich heißt, man beschädigt jemanden oder etwas absichtlich. Fahrlässig dagegen kann man auch mit "aus Versehen" erklären, also wenn man aus Unaufmerksamkeit eine Vase umstößt. In beiden Fällen hat man Schuld und muss für die Folgen haften.
Die strenge Gefährdungshaftung
Für den privaten Tierhalter speziell von Luxustieren gibt es eine noch strengere Haftungsregeln, nämlich die Tierhalterhaftung nach BGB § 833, S.1. Diese "Gefährdungshaftung" gilt, egal ob der Halter Schuld hat oder nicht oder sogar alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat. Anders ist es bei sog. Nutztieren, also Haustieren, die aus Erwerbsgründen gehalten werden, z.B. Pferde einer gewerblich betriebenen Reitschule. Auch die Reitschule haftet grundsätzlich, jedoch nach dem Prinzip der Verschuldenshaftung (s.o.). Kann die Reitschule nachweisen, dass sie bei der Beaufsichtigung ihrer Tiere korrekt gehandelt hat, haftet sie nicht.
Das wurde deswegen so geregelt, weil Tiere letztlich unberechenbar sind und einen eigenen Willen haben, den sie gelegentlich mit mehr oder weniger viel Kraft durchsetzen.
Im Gegensatz zum Luxustier dient das Nutztier vorwiegend wirtschaftlichen Zwecken und damit häufig auch der Allgemeinheit. Sein Halter soll daher die Möglichkeit haben, sich zu entlasten.
Wer ist Tierhalter?
Es gibt für den Tierhalter keine eindeutige Definition, sondern nur ganz bestimmte Kriterien: Als Beispiel ein Rechtsfall: Herr A, der nicht reiten konnte, hatte ein Pferd als Kapitalanlage gekauft und es auf seine Kosten zur Ausbildung gegeben. Außerdem erlaubte er seinem Freund F gegen Bezahlung zu reiten. F verletzte sich und verlangte von A die Bezahlung der Heilungskosten und Schmerzensgeld.
Entscheidend für die Verpflichtung zur Zahlung war, ob Herr A Halter geblieben ist, obwohl er das Pferd völlig dem Ausbildungsstall überlassen hatte. Der Rechtsstreit ging bis zum Bundesgerichtshof, der entschied, dass Herr A Halter geblieben ist, "weil
- er im eigenen Interesse die Sorge für das Tier übernommen habe
- am Wohlergehen des Tieres interessiert gewesen sei
- und das wirtschaftliche Risiko eines Verlustes getragen habe." (BGH, VersR 77, 864)
Herr A musste als Tierhalter somit seinem Freund den entstandenen Schaden ersetzen, d.h. die Arztkosten und das Schmerzensgeld bezahlen.
In den meisten Fällen ist der Eigentümer also zugleich Halter. Ausnahmen können entstehen, wenn das Pferd für längere Zeit vermietet oder verpachtet wird. Wenn der Mieter oder Pächter das Tier gewerblich im eigenen Interesse nutzt, kann er zum "Mithalter" werden und ebenfalls nach der Tierhalterhaftpflicht (§ 833, S.1) haften.
Haftung für alles?
Nach den Buchstaben des Gesetzes haftet der Halter tatsächlich für alles. Deshalb hat die Rechtsprechung die Haftung in verschiedenen Fällen eingeschränkt, zum Beispiel mit dem uns allen bekannten "Handeln auf eigene Gefahr". Allerdings sind die unterschiedlichen Gerichtsurteile nicht einheitlich - wie so oft kommt es immer auf die Umstände in den jeweiligen Einzelfällen an. Einschränkungen gibt es bei Unfällen auf Reitturnieren oder Jagden. Man sollte jedoch davon ausgehen, dass man bei der normalen Privatreiterei grundsätzlich haftet.
Der Fall Reitbeteiligung
Die Haftung bei Reitbeteiligungen war ein juristischer Dauerbrenner. Hier wieder ein Beispiel: die zwei Freundinnen, nennen wir sie Martina und Michaela, trafen sich im Reitstall. Martina konnte nicht reiten, weil ihr Pferd lahmte. Michaela stellte ihr deshalb ihr eigenes Pferd zur Verfügung, damit Martina an der vereinbarten Reitstunde teilnehmen konnte. Das Pferd bockte und sie stürzte so unglücklich auf die Reitbahnbande, dass sie sich erhebliche Verletzungen zuzog.
Martina verlangte von ihrer guten Freundin Michaela den Ersatz ihrer materiellen Schäden in Höhe von 98.340,28 Mark. Dazu kamen 30.000 Mark Schmerzensgeld und die Feststellung, dass Michaela für alle Folgeschäden aufzukommen habe. Hier haben wir die typische Problematik der Gefälligkeitsverhältnisse, die eintreten, wenn man das eigene Pferd aus Freundschaft einem anderen unentgeltlich überlässt.
Der Bundesgerichtshof hat schließlich entschieden, dass Michaela trotz ihrer Gefälligkeit haftet und damit bezahlen muss. (BGH, VersR 92, 1145, Urteil v. 9.6.92)
Der Haftungsverzicht
Durch einen Haftungsverzicht des/r Reiters/in, der in einem schriftlichen Vertrag vereinbart werden muss, kann man die Haftung ausschließen. Bei Minderjährigen müssen die Eltern mit unterzeichnen. Auf jeden Fall sollte man darauf bestehen, dass die Mitreiter bei Ausritten eine sturzsichere Kappe tragen. Andernfalls kann ihnen bei Kopfverletzungen ein Mitverschulden zugerechnet werden.
Aber Achtung: durch den Haftungsverzicht wird nicht die Haftung gegenüber Dritten ausgeschlossen, d.h. Schäden, die das Tier z.B. einem Spaziergänger zufügt. Diese Schäden sind dann aber in den meisten Fällen durch die Tierhalterhaftpflichtversicherung abgedeckt. Sie bezahlt die Schäden, die durch das Tier und seine Unberechenbarkeit verursacht wurden.
Einen zusätzlichen Schutz bietet sowohl für den Tierhalter als auch für die Reitbeteiligung die Privathaftpflichtversicherung. Sie bezahlt, wenn der Schaden nicht durch die Unberechenbarkeit des Tieres verursacht wurde, sondern ein Reiterfehler vorliegt. So zum Beispiel, wenn der Reiter zwar das Pferd unter Kontrolle hat, aber dennoch unachtsam eine Straße überquert und dadurch einen Unfall verursacht.
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